Lukas Perman: Lost in Translation; Kulturelle Herausforderungen in Japan 

MS: Lukas, du warst als einer der ersten europäischen Musicaldarsteller in Japan in einer rein Japanischen Musiktheater Produktion tätig. Was waren dabei deine größten Herausforderungen?

Lukas Perman: Wie du bereits angesprochen hast durfte ich in einer rein japanischen Produktion von „Phantom der Oper“ mitspielen. Das war natürlich sehr interessant, auch wenn es sich zwischendurch sehr wie im Film “Lost in Translation” anfühlte. Ich habe mich natürlich bereits im Vorfeld versucht auf die Sprache vorzubereiten, was natürlich eine sehr große Herausforderung für mich war, da die Japanische Sprache komplett anders aufgebaut ist als die romanischen Sprachen. Aber dieser Zugang war für mich sehr interessant, um bereits im Vorfeld die Mentalität besser zu verstehen. Ich habe versucht sprachlich Anschluss zu finden, was mir am Anfang überhaupt nicht gelungen ist, aber so langsam kam ich rein; Floskeln, Smalltalk, Begrüßungen waren da sehr hilfreich, aber es ist natürlich ein langwieriger Prozess so eine Sprache zu erlernen. Die Sprache ist ja nur ein Teil der Kommunikation. Ich finde viel wichtiger ist es, dass man ein gewisses Verhalten, das die Japaner in der Kommunikation haben auch versucht anzunehmen, meiner Meinung nach. Man hat immer den sogenannten “Europäerschutz”- also den Schutz dass man sich klar durch sein Aussehen von den Japanern abhebt und sie somit auch wissen, dass wir andere Gepflogenheiten haben. Mit der Zeit wenn man länger im Land ist wird aber von einem Verlangt, dass man sich mehr auf di Kultur einlässt und bestimmte Dinge annimmt, wie so z.B. bestimmte Höflichkeitsformen. Diese sind im Japanischen im Verhalten und vor allem in der Sprache ganz besonders ausgeprägt. Ein japanischer Übersetzer, ein Freund von mir hat mir mal gesagt, dass er mit dem Kaiser eigentlich nicht wirklich reden könnte, weil er diese Höflichkeitsformen gar nicht so beherrscht.

MS: Wenn ich das richtig verstehe, dann ist dir vor allem aufgefallen, dass Hierarchien in Japan eine viel größere Bedeutung zukommt als in Österreich. Wenn du jetzt deine eigene Kultur beschreiben müsstest, wie würdest du die Österreichische Kultur beschreiben?

LP: Wir sind ein sehr aufgeschlossenes, aufgeklärtes Land, stark vom Humanismus geprägt. Obwohl man auch sagen muss, dass Österreich sehr von der Katholischen Kirche geprägt ist. Durch diesen Glauben glaube ich, dass vor allem in der Ländlichen Bevölkerung, ich sag es mal etwas überspitzt formuliert, ein etwas devotes Verhalten wahrgenommen werden kann. Ich glaube, dass dies in der Städtischen Bevölkerung ganz anders ist. Dort ist die Jugend progressiver, die Jugend geht auf die Straße und fordert ihre Rechte und die Demokratie ein.

MS: Wenn wir jetzt nochmals auf Japan schauen. Du warst insgesamt über 2 Jahre dort. Was war für dich das Besondere an der Zeit? 

LP: Ich habe dort einen sehr großen Frieden empfunden. In diesem anfänglichen nicht verstehen der Sprache, und in dem nicht verstehen der Körpersprache und dem ganzen „drumherum“, besonders in einem Mikrokosmos wie in einem Theater z.B.; all den „Gossip“ den es dort gibt, versteht man einfach nicht. Man versteht auch die Nachrichten nicht, d.h. es bleibt einem sehr viel Zeit für einen selbst, viel Energie für einen selbst und das empfand ich als Frieden.

Das wichtigste was ich im Umgang empfunden habe war für mich, die Anerkennung und der Respekt für das Gegenüber. Und da habe ich mir immer wieder viel Zeit genommen, um Freizeit mit meinen Kollegen zu verbringen und verschiedenes gemeinsam zu unternehmen. Für mich ist es wirklich dieses respektvolle aufeinander zugehen, was es mir ermöglicht gute Beziehungen aufzubauen.

MS: Nun ist die Theaterbranche eine sehr eigene Subkultur und ich kenne es aus meiner eignen Zeit als ich auf der Bühne stand, dass ich häufig in Kulturell diversen Teams tätig war. Wo siehst du, wenn du in Österreich in den verschiedensten Musiktheater Produktionen tätig bist, mit Kollegen aus anderen Kulturkreisen das größte Konfliktpotential? 

LP: Das Problem generell ist, dass man die Vorstellung hat wie etwas sein sollte. Auch wenn man sich noch so diszipliniert, man wird immer mit einer gewissen Erwartungshaltung in eine Produktion reingehen. Man ist teilweise selbst unsicher, weil man auch wieder in ein neues Umfeld reinkommt. Die größte Herausforderung ist, das was jeder mitbringt als Bereicherung anzusehen und als kreativen Beitrag zu werten. Gerade in der Produktion von Romeo und Julia. Wir waren 15 verschiedene Nationen, bei einem Ensemble von 30 Leuten. Jeder hat natürlich seinen eigenen kulturellen Background neben der eigenen Geschichte die jeder mitbringt. Das als Vielfalt und Bereicherung zu sehen ist eine große Herausforderung. Und dieses Thema ist aktueller denn je, durch die ganze Zuwanderungs-Thematik bzw. Problematik.

MS: Ist das für dich eine Herausforderung dich immer wieder neu zu öffnen oder ist es mittlerweile ganz selbstverständlich?  

LP: Es ist immer wieder eine Herausforderung, weil man natürlich gemütlich wird. Man will sich im Sicheren wissen. Ich muss aber auch sagen, dass ich immer wieder in Fallen getappt bin. In Japan ist es mir mal passiert und das war mir irrsinnig peinlich und es war mir am Anfang überhaupt nicht bewusst und mit Sicherheit keine böse Absicht. Wir hatten ein Konzert und es war sehr stressig. Ich war der einzige Europäer hatte aber einen sehr guten Übersetzer dabei. Bei der Band war ein Gitarrist, der von seiner Art sehr Europäisch war. Ich war der Meinung, dass er sicherlich mal im Ausland war und deshalb meine Körpersprache versteht. Ich hatte ein sehr vertrautes Verhältnis mit ihm. Er war wirklich super und herausragend. Als er sich einmal kurz verspielt hat, hab ich einen Scherz gemacht und ihm durch eine Geste signalisiert, dass ich es bemerkt habe. Ich war mir sicher, er versteht die Ironie in meiner Geste. In dem Moment hat er es überhaupt nicht registriert und ich dachte mir, ja gut, er wird’s womöglich nicht gesehen haben. Als wir in der Pause waren kam er auf mich zu und machte mich zur Schnecke, was für Japaner ja sehr unüblich ist. Die Übersetzerin kam gar nicht mehr mit dem Übersetzen mit. Und ich wusste überhaupt nicht wie mir geschieht, da ich ihn einfach toll fand und ihm Komplimente gemacht habe. Er hat sich so beleidigt gefühlt, dass ich ihn vor versammelter Mannschaft auf den Fehler hingewiesen habe. Bei uns wäre dies mehr ein Vertrauensbeweis gewesen und dort führte dies zur absoluten Beleidigung. Das war für mich ein klassisches Beispiel von einem totalen Missverständnis zwischen verschiedenen Kulturen.

MS: Wie bist du im Moment damit umgegangen?  

LP: Ich war total perplex, ich habe mich tausendmal bei ihm entschuldigt und ihm gesagt wie sehr ich ihn wertschätze. Dadurch wurde ihm dann bewusst, dass ein Kommunikationsproblem vorlag. Ich habe ihm zum Schluss ein Abschlussgeschenk gemacht, weil mir das wirklich sehr peinlich war. Schlussendlich denke ich, dass wir beide was dazugelernt haben. Ich, dass ich die kulturellen Unterschiede nicht unterschätzen darf und vielleicht hat er gelernt, dass die Europäer einfach anders sind. Am Schluss war wieder ein Gemeinschaftsgefühl da und wir hatten ein tolles Konzert.

MS: Lieber Lukas vielen Dank für deine Zeit für dieses Interview und ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und viele spannende Projekte.